REVIEW AUS DEM POLNISCHEN RUNDFUNK
Was kann man alles noch aus einem Akkordeon rausquetschen? Das ist eine angemessene Frage, wenn man KTU oder dem Resonator zuhört. Unglaublich, wie gut sich so ein Relikt wie der „Synthesizer mit Falten“in der modernen Klang-Realität macht. Die neue CD, ähnlich wie die erste, besteht aus vielen zusammengewürfelten Elementen, so, dass man hier von „Experimentalstadium“ von nu folk sprechen kann: es beinhaltet Industrial-Elektro, Filmmusik und dark folk.
Die 9 Stücke ergeben eine zusammenhängende Geschichte. Ich empfehle, der CD am Stück zu lauschen, von Anfang bis zum Ende. Die Musik regt die Phantasie an, oft wirkt sie mit ihren Effekten bildbegleitend wie Filmmusik. Der Zuhörer kann für sich selbst ein Libretto entwerfen, eine obligatorische Geschichte für alle ist nicht vorgegeben.
Was Folk betrifft: immer wieder kommen sehr melodische Phrasen, gespielt auf dem Akkordeon. In Wahrheit ist es aber die Alptraummusik. Das melodische Motiv erscheint, zerreißt dann in Fetzen und taucht in ein Meer aus Rauschen ein. Vertrieben von Geräuschen, die, wie in arabischen alap oder indischen raga, immer unverändert und zeitlos bestehen. Dann kommt wieder etwas Melodisches und passt sich dem Zeitlosen nahtlos an.
Ich muss schon zugeben, gerade diese Musik spricht mich am meisten an. Ich möchte sie vom Herzen empfehlen.
Akkordeon und Elektro ergeben, so gesehen, kein mächtiges Instrumentarium. An dem Beispiel von Resonator sieht man jedoch, was man aus ihnen – mit ein wenig Phantasie – rausholen kann. Es ist nicht nur Musik, es ist viel mehr ein musikalisches Hörspiel.
Hätte man hier statt elektronischen traditionelle akustische Instrumente genommen, wäre ein gutes „old school“-Werk mit melodischen Stücken entstanden. Aber so – so entfremdet – werden die Stücke zu einem Horrortrip, der einen schier umhaut.
Wiktor Pielevin, zeitgenössischer russischer Schriftsteller, hätte es so ausgedrückt: “fast wie Paris von Majakowski.” In der Musik (von Resonator) hört man auch Russisches, sogar Einfluss von Schostakovitsch. Das Duo (Kreysing und Niggemann) fing als „Untermaler“ für Stummfilme an, dann fing es an, Konzerte zu geben. Dabei behielten die beiden Künstler ihre Hauptidee: erschaffen von musikalischen Skulpturen (Figuren?). Resonator ist bereits auf großen Festivals aufgetreten, ich vermute, es wird lohnen, die Musiker live zu erleben.
Die erste Platte 2003, jetzt die Neue- man nimmt an, ein reifes Werk. Tatsächlich.
Wir hörten Resonator bereits bei uns in „Ossobliwosci“ und unsere Zuhörer waren beeindruckt von seinen illustratorischen Qualitäten. Jetzt wird er öfter bei uns gastieren. Verfolgen Sie unsere Sendung.”
– Wojciech Ossowski für Polskiradio.pl, Redakteur einer Weltmusik-Sendung für den Polnischen Rundfunk. Übersetzung: Agnieszka Barczyk (Münster)