Münster
Zu schön, um wahr zu sein, kann Vorwurf werden. Darf ein Gedicht schön sein, wenn es die unfassbar einzigartige Grausamkeit von Menschen behandelt? Und kann es dann noch wahr sein? Paul Celan war diesem Vorwurf ausgesetzt, hat ihn ausgehalten müssen. Der Präsentation seiner „Todesfuge“ im Lazarettbunker kann man diesen Vorwurf schwerlich machen – zu weit entfernt von rotweingeschwängerten Wohnzimmern, cellodurchwirkten Gedenksälen oder stickigen Schulklassen: Ein Bunker ist ein historisch authentischer Ort von Todesangst und Ohnmacht. Und von Krieg.
Ein passender Ort für Celans Meisterwerk, das vielen nach Adornos als Verdikt verstandene Urteil, „nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch“, als unpassend erschien. Anja Kreysing und Helmut Buntjer („This honourable fish“), verstärkt durch den Niederländer Max Kuiper, schufen mit ihrem „Lait Noir Du Matin“ ein elektroakustisches Environment, das mal Klang-Teppich, mal Spot war.
In den zum Fürchten dunklen Räume pulsierten Geräusche, die den teuflischen Ton der nationalsozialistischen Vernichtungsmaschine aufriefen: kreischend quietschende Züge, metallisches Schaben, dumpfes Dröhnen. Als wollte das Akkordeon dieser hörbaren industriellen Tötungshölle so etwas wie Musik geben, erklangen mal marschig Akkorde, mal kleine Melodien – wie ein Verklingen von Kultur oder ein Aufhoffen.
Wer die „Todesfuge“ im Bunker erlebt hat (und es waren verblüffend viele), konnte erleben, dass Celans unversöhnliche Verse eine höchst konkret schmerzende Mahnung und kein idealisierend verklärendes Poem von Anmut und Würde sind.
Foto: Gerhard H. Kock